Thomas Mann
über „Wir sind Gefangene“ in der Rezension „Verjüngende Bücher“ in der Frankfurter Zeitung 1927
Der Held des deutschen Buches läßt sich beständig „Herr Graf“ anreden, aber er ist weder ein Graf noch ein Hochstapler, sondern Graf ist sein Name [...] ich bezeuge, daß seit langem kein Buch mich so gefesselt, verwundert und beschäftigt hat wie diese Aufzeichnungen eines Dreiundreißigjährigen: nicht weil sie spannend wären im Sinne schöner Literatur – sie sind weder ‚schön’, noch wollen sie eigentlich mit Literatur etwas zu schaffen haben [...] Hier ist neue Welt, proletarische Welt, Leben, das längst ganz andere Sorgen hat als Kunst und Geschmack, und das seit einem Jahrzehnt unser aller Teil ist. Leben, dem das Künstlerische und Dichterische als gepflegter Selbstzweck lächerlich und vorsintflutlich erscheinen muß [...]
Thomas Mann in einem Brief an Graf über „Das Leben meiner Mutter“ 1948
Das ist ein wahres Monument der Pietät und Liebe und in seiner Art ein klassisches Buch. Gewiß werden später die deutschen Schulkinder Stücke daraus in ihren Lesebüchern finden.
Thomas Mann 1954
Schöne Gedichte veröffentlicht er jetzt von Zeit zu Zeit im New Yorker ‚Aufbau’, und ich habe meine Freude an der Festigkeit und Milde des kritischen Blicks, den er in seinen Aufsätzen und Besprechungen bewährt.
Festigkeit und Milde – da nenne ich seine besten Eigenschaften. Er setzt sie gegen die Ungunst und Widerwärtigkeit der Zeit, und sie lassen uns vertrauen, daß ihm, der nun die Höhe seines Lebens erreicht, noch viel schönes Gelingen beschieden sein wird. Unter unseren Geburtstagswünschen aber soll der voranstehen, daß die Heimat, sein oberbayerisches Land, seiner recht gewahr werden und sich dankbarer, als gegenwärtig, erweisen möge für das Gute, das er zu ihrer Ehre hervorbringt. Sie hat keinen echteren, in der vom Schicksal erzwungenen Ferne keinen treueren Sohn. (Thomas Mann, Zum sechzigsten Geburtstag. In: Greifenalmanach, Rudolstadt 1954)