Lion Feuchtwanger
an Oskar Maria Graf am 10.10.1935
Zu Ihren Anmerkungen über Thoma: ich freue mich, daß Sie so begeistert über ihn schreiben, aber ich glaube, wenn Sie erst heute mit seinem Werk zusammenträfen, dann würden Sie ihn bei aller Hochschätzung seiner Qualitäten doch nicht in die allererste Stelle rücken. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß ich Thoma sehr liebe, vor allem gewisse Kurzgeschichten von ihm, aber es ist meine tiefe Überzeugung, daß unter Ihren Kalendergeschichten einige sind, die das Wesen des bayrischen Menschen unserer Zeit zentraler sehen als Thoma dies tat. Bei Thoma ist bei aller Schärfe des Blicks doch zuviel voreingenommene Liebe. Sie, lieber Oskar Maria Graf, sind bösartiger, was in diesem Fall ein außerordentliches Plus bedeutet. (nach: Dietz/Pfanner S. 170